von Pfarrerin Anna Lina Becker
Monatsspruch März
Wenn bei dir ein Fremder
in eurem Land lebt, sollt ihr
ihn nicht unterdrücken. Levitikus 19,33
L. aus einer Berufsschulklasse erzählt von einem Kunden, der ihm gegenüber bei der Arbeit das N-Wort verwendet. L. kommt aus Togo.
M., der in Marokko geboren ist, beschreibt, wie sich ein Lehrer an seiner alten Schule über seinen schwer aussprechbaren Nachnamen lustig gemacht und vorgeschlagen hat, er solle sich in „Schmitz“ umbenennen.
G., eine Auszubildende in einem medizinischen Beruf erzählt, dass sie am Bahnhof wegen ihres Hijabs (islamisches Kopftuch) beleidigt wird.
Alle drei haben gelernt zu lächeln und weiterzugehen. Der Konflikt lohnt sich nicht. Es kommt viel zu oft vor, dass ihnen beleidigende, schmähende, demütigende Kommentare begegnen und manchmal sogar Gewalt – verbal und physisch. Meist fühlen sie sich hier zuhause. Nur an solchen Tagen, da fühlen sie sich fremd, weil andere sie nicht zuhause sein lassen.
„Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken“ heißt es im dritten Buch Mose. Und weiter: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,34). Was würde ich für mich tun oder für die, die ich liebe, wenn ihnen jemand Leid antut, wenn sich jemand über sie lustig macht, sie bedroht, sie provoziert?
Mit all meinen Privilegien könnte ich für mich oder meine Lieben einstehen. Für L. stand sein Chef ein. Verträge mit dem Kunden wurden gekündigt. Die Firma von L. kooperiert nicht mit Menschen, die sich rassistisch äußern oder handeln. M.´s Mitschüler*innen beschlossen nach der Situation, nicht mehr über die rassistischen „Witze“ des Lehrers zu lachen. Von da an verhallten die Kommentare des Lehrers in der Stille des Klassenraums.
G. hat leider keine Hilfe erfahren, nicht von Passant*innen, nicht durch Freundinnen und Freunde. Ich hoffe, dass Sie auch erleben kann, dass es die Anderen gibt. Die, die sie hier wollen, die ihr wünschen, hier zuhause zu sein. Die, die dafür aufstehen, dass sich G. als Muslima in Deutschland zuhause fühlen kann.
Ich wünsche es aber auch uns als Gesellschaft, dass wir offen und freundlich sind, so wie im Alten und Neuen Testament beschrieben wird. Dass wir Gottes Willen tun und die Anderen wertschätzen können, ihnen das Gute gönnen und sie vor dem Bösen bewahren können.
Gott befohlen
Ihre Anna Lina Becker